Alle reden über Corona
Das wöchentliche Blitzlicht aus dem Landtag
Eine Kolumne von Kerstin Köditz
Alle reden über Corona. Wir auch. Natürlich reden wir als LINKE darüber.
Schließlich haben wir deshalb unseren Bundesparteitag in Erfurt absagen müssen. Trotz eines sehr guten Sicherheitskonzeptes. Aber: Bei der Gesundheit wollen und dürfen wir kein Risiko eingehen. Da sind wir verantwortungsbewusst. Wie immer.
Andere sehen das anders. Die gestrige Kundgebung von „Querdenken 351“ in Dresden war ein Beispiel dafür. Bis zu 5.000 Menschen nahmen daran teil, um den Reden zu lauschen. 5.000 Menschen, die – wie es der Publizist Sascha Lobo ausdrückt – gegenwärtig eine „Blitzradikalisierung“ durchlaufen. 5.000 Menschen, von denen die meisten ohne Maske unterwegs waren, die sich einen Teufel um die Abstandsregeln störten, die es zuließen, dass aus ihren Reihen die fast schon üblichen Angriffe auf Journalist*innen stattfanden, die nicht protestierten, dass von der Bühne der Hitler-Gruß gezeigt wurde, die akzeptierten, dass am Rande für eine verurteilte Holocaust-Leugnerin Reklame gemacht wurde.
Und die Polizei? Die schaute zu oder weg. Sie ließ sich mit ungültigen Attesten abspeisen, dass die betreffenden Personen keinen Mund-Nase-Schutz tragen müssten. Sie griff nirgends ein, wo die Masken einfach wieder abgesetzt wurden. Wie auch? Ganze 120 Beamte standen für eine Veranstaltung mit 5.000 Menschen zur Verfügung. Ein Witz. Bei jeder kleinen Demo oder Kundgebung in der Provinz ist mehr Polizei zur Stelle. Als vor wenigen Wochen eine Kundgebung der AfD in Grimma stattfand und Gegenaktionen organisiert wurden, sicherten 350 Beamtinnen und Beamte das Geschehen ab.
Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Staatsregierung die Corona-Leugner*innen, die Impfgegner und Esoterikerinnen, die Verschwörungsgläubigen und Antisemiten, die sich da treffen, einfach nur gewähren lässt und sie damit ermutigt. Der Innenminister? Er ist – mal wieder – untätig.
In dieser Woche nun gibt es im Landtag endlich eine Debatte zum Thema.
Endlich befasst sich das Parlament damit. „Corona-Krise nicht zur Demokratie-Krise machen: Parlament muss beim Gesundheitsschutz mitbestimmen!“ lautet das Thema. Und es soll eine Regierungserklärung des Ministerpräsidenten geben. Das alles wird auch höchste Zeit. Das Grundgesetz sieht nämlich kein Gremium namens „Videokonferenz der Bundeskanzlerin und der Ministerpräsidenten“ vor, das befugt wäre, Eingriffe in unsere Grundrechte vorzunehmen. Das muss im Parlament diskutiert und dann entschieden werden.
Vor allem aber müssen den Menschen die Maßnahmen vernünftig erklärt werden. Ich kann nicht 30 Jugendliche in der Schule über Stunden in ein Klassenzimmer stecken und von den gleichen Jugendlichen verlangen, dass sie sich in ihrer Freizeit nicht treffen dürfen. Wer soll das einsehen?
Es müssen endlich vernünftige und rasche Konzepte für die überfällige Digitalisierung der Schulen her. Wir brauchen für die Schulgebäude ausreichend wirksame Luftfilteranlagen. Hier hat die Staatsregierung über Monate gepennt. Und das werden wir zum Thema im Landtag machen.
Ich persönlich werde mich natürlich an die Hygienevorschriften halten.
Auch wenn es schwer fällt. In Ordnung. Ein Monat nur arbeiten und keine Freizeitvergnügen. Mein Vorschlag: Den Dezember machen wir es dann genau umgekehrt. Keine Arbeit, aber dafür Restaurants, Kinos, Theater, Konzerte. Am besten natürlich kostenlos. Realistisch ist das nicht. Aber ich werde wohl doch noch träumen dürfen. Auch wenn wir in Sachsen leben, wo die Träume meistens Albträume sind.