Verdachtsfälle

 

Das Blitzlicht aus dem Landtag

Eine Kolumne von Kerstin Köditz

Nicht Corona, nicht der heftige Wintereinbruch, der uns auch im Flachland erstmals seit Jahren wieder richtigen Schnee und knackige Minustemperaturen bescherte. Nein, die AfD ist mal wieder mein Thema für das heutige Blitzlicht aus dem Landtag. Gleich drei Gründe gibt es dafür: Erstens hat sich – wenn man den Medien glaubt – nun auch der sächsische Geheimdienst dazu entschlossen, die AfD als „rechtsextremistischen Verdachtsfall“ einzustufen, sie also auch mit den üblichen geheimdienstlichen Mitteln zu beobachten. Zweitens stellte die Partei am Wochenende in der Messe Dresden ihre Bundestagsliste auf. Und drittens erregte sie im Landtagsplenum wieder einmal Aufsehen. Doch der Reihe nach.

„Mit allen möglichen rechtlichen Mitteln“, so der AfD-Landesvorsitzende, wolle die Partei gegen die Einstufung als „Verdachtsfall“ in Sachsen vorgehen. Und auch gegen den Umstand, dass diese Maßnahme überhaupt öffentlich geworden war. In Sachsen nämlich, so schreibt es das entsprechende Gesetz vor, dürfte Verdachtsfälle nicht öffentlich genannt werden. Das ist zwar unsinnig, wenn der „Verfassungsschutz“ dazu da sein soll, die Bevölkerung über mögliche Gefahren für die Demokratie aufzuklären, aber so will es nun einmal das Gesetz. Nicht das einzige Gesetz in Sachsen, in dem unsinnige Dinge stehen. „Geheimnisverrat“ wittert die AfD. Aber sie weiß ja noch nicht einmal, ob wirklich ein Geheimnis verraten worden ist. Denn ob die Pressemitteilungen über ihre künftige Beobachtung zutreffen, darf ihr das Amt und darf ihr die Regierung gar nicht mitteilen. Ein Dilemma. Egal, die AfD klagt mal wieder. Tut sie oft. Und verliert meistens.

Wenn es denn so ist, dass die AfD jetzt als Gefahr für die freiheitlich-demokratische Grundordnung verdächtig ist, dann wäre diese Einstufung aber auf jeden Fall berechtigt. Da kann die AfD klagen und jammern wie sie will. Das sage ich – und mit mir unzählige Fachleute – seit Jahren. Belege dafür gibt es zuhauf. Wir müssen dazu nur die Augen und die Ohren aufmachen.

Die Aufstellungsversammlung der AfD für ihre Bundestagsliste mit über 700 Teilnehmenden (zu Corona-Zeiten!) ist ein gutes Beispiel dafür. Im Vorfeld war von Medienvertretern gemutmaßt worden, die „gemäßigten“ Kräfte würden versuchen, die Radikalen zurückzudrängen. Als solch ein „Gemäßigten“ gilt der Schriftsteller Michael Klonovsky, der zwar kein Parteimitglied ist und auch nicht in Sachsen lebt, dafür aber als Redenschreiber von Fraktionschef Gauland seine Brötchen verdient. Dessen Reden gelten allerdings als ganz und gar nicht gemäßigt. Er trat für Listenplatz 2 ein, gegen den ehemaliger Richter Jens Maier, der ganz offiziell als Rechtsextremist gilt. Und dies in Dresden natürlich umgehend unter Beweis stellte. „Berlin ist die Hauptstadt des Multikulti, der Dekadenz und des Kulturmarxismus.“, tönte er in seiner Vorstellungsrede im Original-Nazisprech. Und erhielt tosenden Beifall von dem Mitgliedern. Bei Klonovsky dagegen herrschte eisiges Schweigen. Erwartungsgemäß setzte es für ihn eine krachende Niederlage. Das Endergebnis: eine Liste, die geprägt ist von den radikalen Kräften. Die angeblich Gemäßigten in der Partei hatten nicht den Hauch einer Chance.

Kommen wir zum Landtag und den Kapriolen der AfD dort. Ein Antrag von ihr zum letzten Plenum lautete: „Neue RAF verhindern – kein Rückfall in die 70er Jahre“. Zwar ist einer der Briefe mit dem Auflösungsschreiben der RAF 1998 in Chemnitz aufgegeben worden, aber das ist meines Wissens schon alles, was die RAF mit Sachsen zu tun hat. In den siebziger Jahren war in der DDR von Terrorismus nichts zu spüren. Und auch heute ist nirgends in Sachsen zu sehen, dass eine schwerbewaffnete Gruppe gezielt Mordanschläge auf Vertreter*innen des Staates verübt oder dies auch nur vorhat. Wenn in Connewitz mal eine Mülltonne brennt, dann ist das zwar nicht schön, aber beileibe kein Terrorismus. Gut, könnte man sagen, die AfD bauscht wieder mal ein Problem auf. Ist zwar nicht schön, wird aber so gemacht, damit die nötige Aufmerksamkeit erzielt wird.

Ok, aber dann möge sie sich entscheiden, was sie denn nun will. Auf der einen Seite erklärt sie, der „Verfassungsschutz“ werde gegen sie instrumentalisiert, sei lediglich ein Instrument der Regierung und müsse abgeschafft werden. Auf der anderen Seite fordert sie in ihrem Antrag, den Personalaufbau auch beim Verfassungsschutz ausreichend personell abzudecken. Was denn nun? Abschaffen oder personell aufstocken? Wenn es gegen sie selbst geht, muss der „Verfassungsschutz“ abgeschafft werden. Wenn es gegen links geht, braucht er dringend mehr Personal. Überhaupt: die Sachkenntnis. Sie ist und bleibt ein Hauptproblem der AfD. So fordert sie in dem Antrag, dass das Landeskriminalamt jährlich ein Lagebild „Linksextremismus/Linksterrorismus“ vorlegen soll. Die Polizei ist allerdings nur für Straftaten zuständig. Und nicht alles, was als „extremistisch“ eingestuft wird oder was die AfD dafür hält, ist auch strafbar. Zuständig für ein solches Lagebild wäre der Geheimdienst. Den die AfD aber als reines Instrument der Regierung ansieht. Dieses Lagebild gibt es übrigens bereits. Es nennt sich Verfassungsschutzbericht. Über dessen Qualität kann man zwar – besonders in Sachsen – trefflich streiten, aber auch in doppelter Ausfertigung wird er nicht besser.